Ritterlichkeit in der modernen Welt

Im Rahmen meiner Arbeit für die Lehrer-Stufe in der WTU „Ritter“ habe ich intensiv über den Begriff des Ritters nachgedacht. Dabei stellte ich mir die Frage, was einen Ritter damals auszeichnete und wie sich Ritterlichkeit in unsere heutige moderne Welt übertragen lässt. Denn Ritterlichkeit ist ein zeitloses Verhalten, das sich durch die Jahrhunderte hinweg bewährt hat. 

In dieser Arbeit gehe ich auf den Ursprung des Begriffs Ritters im Allgemeinen und die Symbolik des Schwertes insbesondere im WTU Wing Tsun ein. Außerdem betrachte ich die Einflüsse mystischer Traditionen wie der Rosenkreuzer, Freimaurer und Tempelritter, die jeweils ihre Ideale von Ritterlichkeit bis in die heutige Zeit übertragen haben.

Wo kommt der Begriff Ritter eigentlich her? Der Begriff "Ritter" stammt aus dem althochdeutschen Wort "rîter"/"rita-ere" was so viel wie Reiter oder Reitersmann bedeutet. Ursprünglich bezog sich der Begriff auf einen berittenen Krieger im Dienst eines Königs oder Fürsten. Im Mittelalter entwickelte sich der Begriff weiter und bezeichnete nicht nur den berittenen Kämpfer, sondern auch ein Mitglied des Adelsstandes, das nach den Idealen der Ritterlichkeit lebte, wie Tapferkeit, Ehre, Treue und Höflichkeit. Diese Ideale wurden im Laufe der Zeit in den Kodex der Ritterlichkeit integriert und prägen das Bild des Ritters bis heute.

In vedischen Texten des alten Indien hat das Wort "Rita" seine Wurzeln und bezieht sich auf das kosmische Gesetz oder die universelle Ordnung. In diesem Kontext kann man einen Ritter als jemand ansehen, der nach den Prinzipien der Ritterlichkeit handelt, symbolisch also nach höheren Gesetzen strebt und handelt. 

Das Symbol eines Ritters ist sein Schwert. Das Schwert steht für Klarheit und innerhalb unseres WTU Logos steht es für die Klarheit der Gedanken, messerscharfe Gedanken und somit für das Denkzentrum des Menschen. Ein Ritter oder Krieger, der sein Schwert aus der Scheide zieht, trifft eine Ent-Scheidung. Es ist also ein Mensch, der fähig ist, zu entscheiden und danach zu TUN. Dieser Mensch hat seinen Willen bis zu einem Grad entwickelt, er handelt nicht mehr nach Lust und Laune, sondern ent-scheidet. Er ist fähig zu TUN und zwar nicht zum eigenen Selbstzweck, sondern um zum Diener der Absicht zu werden.

Das Schwert steht auch für Schutz vor negativen Einflüssen und für Reinigung. Beginnt man die Begriffe aus dem äußerlichen Handeln in die innere Welt zu übertragen, beginnt man die Bedeutung für sich selbst zu sehen. Ein Krieger ist nicht jemand, der gegen andere in den Krieg zieht oder Menschen verletzt, sondern jemand, der gegen sich selbst einen Krieg führt. Gegen sein falsches Ego, seine Schwächen, seine Unachtsamkeit, seine Konditionierungen und seine Unaufrichtigkeit sich selbst gegenüber. So hat das Schwert hat auch eine transformative Kraft. Es kann alte, hinderliche Strukturen durchbrechen und Platz für Neues schaffen. Es hilft den Praktizierenden, Illusionen zu durchdringen und zur Wahrheit vorzudringen, ähnlich wie das Schwert durch Nebel schneidet. Diese transformative Eigenschaft ist essenziell für die Entwicklung und das Wachstum des Menschen

Im WTU Wing Tsun legen wir besonderen Wert auf die Arbeit mit dem Schwert und anderen Waffen, und dafür gibt es mehrere wichtige Gründe. Aus unserer Sicht ist das traditionelle chinesische Wing Tsun / Wing Chun fragmentiert, da nur ein Teil seiner Lehren in China angekommen ist. Der Ursprung des Wing Tsun liegt im Hort der Weisheit in Kairo und hat sich über Tibet nach China verbreitet. Diese tief verwurzelte Tradition umfasst nicht nur unbewaffnete Techniken, sondern auch den Einsatz von Waffen, insbesondere Klingenwaffen.

Das Schwert hat in der Philosophie und Praxis des WTU Wing Tsun eine zentrale Bedeutung. Es repräsentiert den Willen des Praktizierenden, dient als Werkzeug zur Durchsetzung und Verteidigung des eigenen Willens und symbolisiert Klarheit und Reinheit des Geistes. Die Arbeit mit dem Schwert fördert die Entwicklung von Präzision, Kontrolle und geistiger Klarheit. 

Das Schwert, in seiner Kreuzform, steht auch sinnbildlich für den Menschen. Es verkörpert das Balkenkreuz, welches die Wechselwirkungen zwischen Yin und Yang sowie die Verbindung von physischer und materieller Welt mit der geistigen und spirituellen Welt symbolisiert – beides Bereiche, die der Mensch gleichermaßen entwickeln sollte.

Insgesamt ist die Integration des Schwertes und anderer Waffen im WTU Wing Tsun ein Ausdruck des umfassenden Verständnisses dieser Kampfkunst. Es ist eine Rückbesinnung auf die tiefen, ganzheitlichen Wurzeln, die ihren Ursprung im Hort der Weisheit in Kairo haben.  

Auch im Kontext der mystischen Traditionen von Rosenkreuzern, Tempelrittern und Freimaurern wird der Begriff des Ritters oft symbolisch verstanden und spiegelt das Streben nach höherem Wissen, Selbstverbesserung und Dienst an der Menschheit wider. So kann man auch heute, ohne mit Ritterrüstung kämpfend auf einem Pferd zu sitzen, das Rittertum in seinen Alltag integrieren.  

 

Die Rosenkreuzer: Der mystische Sucher

Die Rosenkreuzer, die im frühen 17. Jahrhundert erstmals öffentlich in Erscheinung traten, verkörpern eine Tradition, die sich über mystischem Wege über dem „Erkenne dich Selbst“ nach der göttlichen Weisheit in jedem einzelnen Menschen ausrichtet. Für einen modernen Ritter, der von den Prinzipien der Rosenkreuzer beeinflusst ist, steht die innere Transformation und die Suche nach Wahrheit im Vordergrund. Ein solcher Ritter:

  1. Strebt nach spiritueller Vervollkommnung: Der moderne Ritter widmet sich der Selbstreflexion, Meditation und dem Studium esoterischer Weisheiten, um ein tieferes Verständnis der Welt und seiner selbst zu erlangen.
  2. Lebt nach ethischen Prinzipien: Ehrlichkeit, Integrität und Mitgefühl sind zentrale Tugenden. Der Ritter handelt stets im Einklang mit hohen ethischen Standards und setzt sich für Gerechtigkeit und Wahrheit ein.
  3. Fördert Wissen und Bildung: Der Ritter unterstützt die Verbreitung von Wissen und Weisheit und ermutigt andere, sich ebenfalls spirituell und intellektuell weiterzuentwickeln.

 

Die Tempelritter: Der edle Krieger

Die Tempelritter, ein militärisch-mönchischer Orden des 12. bis 14. Jahrhunderts, sind bekannt für ihre Tapferkeit, Disziplin und Hingabe. Ein moderner Ritter, der von den Idealen der Tempelritter inspiriert ist, integriert diese Werte in sein tägliches Leben. Dieser Ritter:

  1. Demonstriert Tapferkeit und Mut: Mut zeigt sich nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch im Alltag, indem der Ritter für seine Überzeugungen einsteht und sich Herausforderungen mutig stellt.
  2. Praktiziert Disziplin und Selbstbeherrschung: Ein moderner Ritter lebt diszipliniert und kontrolliert seine Handlungen und Emotionen. Diese Selbstbeherrschung ermöglicht es ihm, in schwierigen Situationen Ruhe und Klarheit zu bewahren.
  3. Setzt sich für den Schutz der Schwachen ein: Wie die Tempelritter, die Pilger und das Heilige Land beschützten, fühlt sich der moderne Ritter verpflichtet, die Schwachen und Bedürftigen zu unterstützen und zu verteidigen.

 

Die Freimaurer: Der weise Baumeister

Die Freimaurer, deren Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen, betonen die Bedeutung von Bruderschaft, ethischer Verbesserung und der symbolischen Verwendung des Bauhandwerks. Ein moderner Ritter, der von den Freimaurern beeinflusst ist, sieht sich als Baumeister einer besseren Gesellschaft. Dieser Ritter:

  1. Fördert Bruderschaft und Solidarität: Der Ritter sieht alle Menschen als Brüder und Schwestern und bemüht sich, Harmonie und Zusammenarbeit in der Gesellschaft zu fördern.
  2. Strebt nach persönlicher und sozialer Verbesserung: Durch kontinuierliche Arbeit an sich selbst und seinem Umfeld trägt der Ritter zur Schaffung einer gerechteren und wohlwollenderen Welt bei.
  3. Nutzt Symbolik zur Selbstreflexion: Die Freimaurer verwenden Werkzeuge des Bauhandwerks als Symbole für den Prozess der inneren geistigen Transformation. Ein moderner Ritter nutzt diese Symbolik, um über seine Taten und deren Auswirkungen nachzudenken.

 

So ist der moderne Ritter, beeinflusst von den Idealen der Rosenkreuzer, Tempelritter und Freimaurer, ein Individuum, das nach spiritueller Entwicklung, Integrität und sozialem Engagement strebt. Durch die Integration dieser verschiedenen Traditionen entsteht ein umfassendes Bild eines Ritters, der nicht nur in seinen Handlungen, sondern auch in seinem Denken und Fühlen die höchsten Ideale verfolgt. Ein solcher Ritter ist ein Leuchtturm des Guten in der modernen Welt, der durch sein Verhalten und seine Prinzipien inspiriert und andere dazu ermutigt, sich ebenfalls für eine bessere und gerechtere Gesellschaft einzusetzen.

Salve, 

Si-Mo 

Sifu Rosa Ferrante Bannera